Florence Brokowski-Shekete
„Mist, die versteht mich ja!
Aus dem Leben einer Schwarzen Deutschen“
Orlando Verlag Berlin 2020
Florence Brokowski-Shekete, 1967 in Hamburg als Kind eines nigerianischen Studentenehepaars geboren, ist die einzige schwarze Schulrätin in Deutschland.
Sie kam mit zwei Jahren, nach diversen anderen Pflegefamilien durch Vermittlung eines Pastors in Buxtehude zu einer deutschen Pflegemutter, die stark in der Kirchengemeinde verankert war.
Diese Pflegemutter, Irmgard Brokowski, alleinstehende selbständige Schneidermeisterin, Flüchtling aus Westpreußen, in sehr kleinen Verhältnissen lebend, brachte der kleinen Florence die Liebe, Wärme und Verlässlichkeit entgegen, die ihre unsteten, studentischen Eltern ihr nicht geben konnten. Diese hielten sich nicht einmal an die selbstformulierten Abmachungen mit der Pflegemutter, das Kind an jedem Wochenende zu sich zu holen, ganz zu schweigen an die finanziellen Abmachungen. Von ihrer Pflegemutter übernahm Florence die Werte und Normen, die für sie bis heute Bestand haben. Diese Erziehung stärkte auch ihre Resilienz, was ihr im Leben die nötige Stärke gab und gibt.
Der kleinen Florence wird schon früh bewusst, dass sie anders ist, weil ihre schwarze Hautfarbe nicht zu übersehen ist. Und sie spürt den Alltagsrassismus. Aber sie hat durch ihre Pflegemutter gelernt, damit umzugehen. So vergisst sie gerade auch als kleines Kind ihr anderes Aussehen. Ist ungehemmt Kind und Spielkameradin für die Kinder der Nachbarschaft.
Als sie acht Jahre alt ist, nehmen ihre Eltern, die sich um ihr Kind nie gekümmert hatten, weder persönlich noch finanziell, ihre Tochter so mir nichts dir nichts mit zurück nach Lagos in Nigeria. Florence, 2. Grundschulklasse, bei der Pflegemutter mit viel Liebe und Pflege aber wenig Geld in einer zwei Zimmerwohnung mit wenig Komfort groß geworden, kommt plötzlich in eine laute, fremde Welt, ohne jeglichen westlichen Komfort aber mit vielen, ihr fremden Menschen schwarzer Hautfarbe wie sie, die sie aber nicht versteht, weder in ihrem Verhalten noch in ihrer Sprache. Sie spricht weder Englisch noch die Stammessprache Yoruba. Und es gibt viel Schmutz, andersartiges Essen, andersartige Sitten und Gewohnheiten.
Sie wurde in eine ihr völlig fremde Welt versetzt, in der sie ein Fremdkörper ist, trotz der gleichen Hautfarbe. Sie erlebt deshalb auch hier Rassismus. Sie zieht sich in sich selbst zurück, wird stumm. Das einzige, was sie stützt, ist der Besuch der deutschen Schule in Lagos, wo sie aber wieder eine Schwarze unter Weißen ist. Im dritten Jahr dort erkennt eine neue Lehrerin, dass das Kind immer mehr verkümmert, erfährt in einem Gespräch mit ihm, von seiner Sehnsucht nach der Pflegemutter in Deutschland und redet den Eltern ins Gewissen. Mit Erfolg! Diese schicken das Kind zu seiner ebenfalls seit 3 Jahren trauernden Pflegemutter zurück nach Buxtehude mit der Auflage, in jeden Sommerferien nach Lagos zurückzukommen. Aber die Eltern melden sich nie und der kleinen Florence ist es recht, fürchtet sie doch, dann evtl. nicht wieder nach Buxtehude zurück zu dürfen.
Schule ist für sie mühevoll, aber schließlich macht sie ihr Abitur, von einem bestimmten Alter an immer vor Augen habend, dass sie als Nigerianerin nur ein Bleiberecht hat um zu studieren, nicht aber für eine Berufsausbildung.
Als sie 21 Jahre alt ist, dem Volljährigkeitsalter in Nigeria, und sie ohne ihre Eltern entscheiden kann, adoptiert ihre Pflegemutter sie und sie bekommt die deutsche Staatsangehörigkeit.
Sie studiert nach einer Berufsfindungsphase durch Praktika in Lüneburg und Heidelberg auf Lehramt für Grund- und Hauptschulen. Schließt das Studium mit dem 2. Staatsexamen Anfang der 90er Jahre ab, als Lehrer sehr schlechte Einstellungschancen hatten. Nach einer zweijährigen Vertretungsstelle und inzwischen alleinerziehender Mutter eines kleinen Jungen, ist sie arbeitslos. Und, macht sich als interkulturelle Trainerin für Englisch und Deutsch selbständig, arbeitet für große Konzerne. Als später die Nachfrage nach Lehrkräften in Deutschland wieder steigt, nimmt sie eine Lehrerinnenstelle an, bleibt aber auch ihrer selbständigen Tätigkeit verbunden. Sie wird verbeamtet, sie wir Schulleiterin und schließlich in Mannheim Schulrätin, die einzige Schwarze in Deutschland.
Neben diesem Werdegang erzählt die Autorin über die vielen offenen und vor allem versteckten Rassismen, die sie erlebt hat und weiterhin erlebt. Sie beschreibt und analysiert sie nüchtern aber auch mit viel Humor.
Das Buch ist mit einer solchen Dichte und Spannung aber auch Leichtigkeit geschrieben, dass man es nicht weglegt, bevor man es durchgelesen hat.
Sehr empfehlenswert auch als Messlatte für sein eigenes Handeln und Denken anders aussehenden Menschen gegenüber.